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Die Geheimniskrämerei um die Daten zur Impfeffektivität

Ende April kündigte das RKI an, aktuelle Zahlen zur Impfeffektivität künftig in einem Monatsbericht zu veröffentlichen. Doch dieser wird weiter zurückgehalten – auch weil Impfungen falsch gezählt wurden. Nun wird der Vorwurf der Intransparenz erhoben.


Auf Basis eines Sachverständigengutachtens verhandelt die Ampel-Koalition in diesen Tagen darüber, welche Corona-Maßnahmen es ab Herbst geben soll. Auch Zugangsbeschränkungen, die Ungeimpfte gegenüber Geimpften benachteiligen, sind wieder im Gespräch. Entsprechend wichtig wäre es daher zu wissen, ob und wie lange Corona-Impfungen einen relevanten Schutz vor Ansteckung und Weitergabe des Virus geben.


Quelle: picture alliance / Zoonar; Montage: Infografik WELT


Lange Zeit waren es die Wochenberichte des Robert-Koch-Instituts (RKI), die eine Antwort darauf geben sollten. Im Kapitel „Wirksamkeit der Covid-19-Impfung“ verglich die Behörde die Inzidenzen der geimpften und ungeimpften Bevölkerungsteile nach Alter und Krankheitsschwere und berechnete aus dem Vergleich des Anteils Geimpfter unter Covid-19-Fällen (Impfdurchbrüche) mit dem Anteil Geimpfter in der Bevölkerung die Impfwirksamkeit.


So war das zumindest bis Ende April. Dann entfernte das RKI dieses Kapitel aus den Wochenberichten. Die Erklärung: „Fachlich ist die Bewertung dieser Effekte in der aktuellen Situation (Infektionsgeschehen, Entwicklung der Impfquoten) nicht mehr wöchentlich notwendig. Zudem erfordern die in letzter Zeit erfolgten Umstellungen der Datenerhebung der Impfdaten intensivere Kontrollen und Auswertungen durch das RKI.“


Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die vom RKI ausgewiesenen Inzidenzen von Ungeimpften und Geimpften bereits immer weiter angenähert, mathematisch schien sogar eine negative Impfeffektivität möglich. Das RKI betonte aber gegenüber WELT: „Die Änderung der Berichtsfrequenz ist selbstverständlich nicht einer evtl. geringeren oder negativ berechneten Impfeffektivität geschuldet, sondern der aktuellen Situation wie oben beschrieben. Gegenteilige Behauptungen und Spekulationen entbehren jeder Tatsachengrundlage. Es wird weiterhin zu den gewohnten Themen, die auch die Impfeffektivität beinhalten, berichtet werden.“


Eklatanter Lapsus

Man kündigte an, künftig monatlich separate Auswertungen zum Themenkomplex Covid-19-Impfung sowie Impfeffektivität zu veröffentlichen, „die eine detailliertere Betrachtung einzelner Aspekte erlauben als im Rahmen des Wochenberichts möglich“. Doch bis heute gibt es diese Zahlen nicht.

Der Grund für die Verzögerung wurde Anfang Juni in einem ungewöhnlichen Setting bekannt: Bei der mündlichen Verhandlung über die Soldaten-Duldungsimpfpflicht vor dem Bundesverwaltungsgericht, bei der WELT anwesend war, war auch ein Vertreter des RKI als Sachverständiger geladen. Als das Gericht nach aktuellen Zahlen zur Impfeffektivität fragte, erklärte dieser, dass man Ende April einen Fehler bei den Daten zum Impfstatus der übermittelten Fälle bemerkt habe. Beispielsweise wurde eine Person laut Meldung fünffach am selben Tag gegen Corona geimpft. Ergo: Die Zahlen können nicht stimmen.


Das Problem gehe vermutlich, so der RKI-Mitarbeiter, auf eine Softwareumstellung im Februar zurück. Aktuell müsse man untersuchen, ob sich dieser Fehler auch auf die seitdem veröffentlichten Wochenberichte, in denen die Impfeffektivität noch ausgewiesen wurde, ausgewirkt hat. Für den neuen Monatsbericht werde daher überlegt, ob man die Daten der Gesundheitsämter von der Analyse ausschließt.


Ein solch eklatanter Lapsus, der durch die Aussage eines Sachverständigen im Rahmen eines Verwaltungsgerichtsprozesses öffentlich wird – und nicht durch eine Pressemitteilung, einen Hinweis im Wochenbericht oder ein Statement der RKI-Führungsspitze? Es ist ein weiterer Beleg für den desaströsen Umgang mit Corona-Daten in Deutschland. Erst am Freitag hatte ein Sachverständigenausschuss zur Evaluierung der Corona-Maßnahmen den politischen Entscheidungsträgern und dem RKI diesbezüglich ein katastrophales Zeugnis ausgestellt. Demnach wurden notwendige Daten zur Beurteilung der Corona-Maßnahmen nicht einmal erhoben. Über das RKI heißt es in dem 160-seitigen Report, die Behörde sei laut Infektionsschutzgesetz „die zentrale Forschungs- und Referenzeinrichtung für Infektionskrankheiten“, in der „die Maßnahmen des Infektionsschutzes erforscht“ werden: „Diese Institution stünde bei der Lösung des identifizierten Daten- und Studienproblems somit auch selbst in der Pflicht.“


Kubicki hatte eine Anfrage ans BMG gestellt, wollte wissen, wie sich die Zahlen zur Impfeffektivität in den vergangenen zwei Monaten entwickelt haben und welche Schlüsse die Bundesregierung daraus zieht. Die knappe Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) vom 29. Juni liegt WELT vor: Von Softwareproblemen ist keine Rede, es wird schlicht auf die „zeitnahe Veröffentlichung“ des Monatsberichts verwiesen. Bis dahin müsse man beim Thema auf die Frequently Asked Questions (FAQ) auf die Internetseite des RKI verweisen.

„Fataler Eindruck der Verschleierung“

Kubicki sagt, es entstehe der „fatale Eindruck der Verschleierung“:

„Wir müssen aus den vorliegenden Informationen leider befürchten, dass sich das Robert-Koch-Institut in der Frage der Impfeffektivität seit Wochen im Blindflug befindet. Es ist unverständlich, warum dort nicht offen kommuniziert wird, dass Datenfehler eine sachgerechte Bereitstellung der nötigen Informationen verhindern.“

Der FDP-Abgeordnete kündigte an, die Sache am kommenden Donnerstag im Ältestenrat des Bundestags zu thematisieren. Nachdem er nur durch die Recherchen von WELT von dem Softwareproblem erfahren hat, „steht der Verdacht einer Missachtung des parlamentarischen Fragerechtes im Raum“. Das RKI teilte WELT indes am Montag telefonisch mit, der Bericht zur Impfeffektivität solle diese oder nächste Woche erscheinen. Ob das Softwareproblem mittlerweile behoben ist? Dazu gab man keine Auskunft.


QUELLE: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus239764677/RKI-Zahlen-Die-Geheimniskraemerei-um-die-Daten-zur-Impfeffektivitaet.html


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